Die konstituierende Sitzung der neuen Legislatur fand am 7.5.24 statt. In ihr wurden von den Delegierten das neue Präsidium und der neue Vorstand gewählt. „Traditionell“ gehen diesen Wahlen diverse „Sondierungsgespräche“ voraus, um im Vorfeld gemeinsame Themen abzuklären, die Verantwortlichen vor unliebsamen Überraschungen zu schützen und auch bereits mögliche Vorstandszusammensetzungen zu verabreden, auch wenn es keinen Fraktionszwang gibt und jede/r Delegierte nur seinem/ihrem eigenen Gewissen verpflichtet ist.
Für die Zusammensetzung des Vorstands gibt es keine Quotierungen und auch die Anzahl der Vorstandsmitglieder ist nicht fest vorgegeben. In der Satzung heißt es dazu, dass neben dem Präsidium mindestens fünf und höchstens neun weitere Vorstandsmitglieder gewählt werden müssen. Als AAA hatten wir uns bisher immer dafür eingesetzt, einen breit aufgestellten Vorstand hinsichtlich der vertretenen pharmazeutischen Berufsbilder zu fordern. In der 15. Legislatur hatten wir unter unserer Führung den kleinstmöglichen Vorstand mit fünf weiteren Mitgliedern gewählt, um mit intensiver Arbeit und kurzen Abstimmungswegen schnell gute Ergebnisse zu erzielen, was uns m.E. nach auch gelungen ist. Und auch ohne Quoten hatten wir aus unserem damaligen Selbstverständnis heraus durch die Beteiligung von vier Listen und die Berücksichtigung derer Interessen am Ende eine sehr diverse und breite Vertretung im Vorstand auch hinsichtlich Alter, Berufserfahrung und Berufsfeld sowie ein Präsidium aus zwei verschiedenen Listen (AAA und WIV).
Für den neuen Vorstand der 16. Legislatur hatte sich die designierte Präsidentin Dr. Lucas einen größeren Vorstand gewünscht, um die viele Arbeit auf mehr Schultern zu verteilen und ein Präsidium, das sich nur aus einer Liste (der eigenen) speist, weil sie selbst in der Gremienarbeit der Kammer bisher völlig unerfahren ist und jemanden an der Seite haben wollte, der sich darin nicht nur bereits auskennt, sondern zu dem sie auch Vertrauen hat (Herr Stolle).
Im neuen Vorstand finden sich nun inklusive des Präsidiums neun Personen aus nur noch drei (von fünf) Listen, obwohl sich alle Listen gerne im Vorstand eingebracht hätten. Die Präsidentin hat noch keinerlei Kammergremienerfahrung, ist aber seit Jahren sehr engagiert in verschiedenen Apotheken-Projekten (apotalk-Runde mit diversen „Apothekenfirmen“, denkfabrik für Frauen im Apothekenwesen und AByou für Menschen unter 45 Jahren, die zur ABDA wollen). Und sie ist Mitinhaberin von vier großen Apotheken in Berlin (und Brandenburg). Angesprochen auf den Zeitbedarf und die Neutralität der Kammer erklärte sie sinngemäß, die AByou jetzt nicht mehr zu brauchen und daher ihre ganze Kraft für die Kammer einzusetzen. Hinsichtlich des Sponsorings der Firmenveranstaltung „apotalk“ in je einer ihrer Apotheken erklärte sie ebenfalls sinngemäß, dass sie keine Sponsoren habe und kein Geld von den Firmen bekomme. Und dass sie ja außerdem noch eine OHG-Partnerin habe, die das weiterführen könne.
Der neue Vizepräsident Joachim Stolle war bereits einmal Vizepräsident unter Dr. Belgardt und hat in der letzten Legislatur die Offizin-Liste quasi als Fundamentalopposition geführt, die z.B. dem Hochschulvertreter das Stimmrecht aberkennen wollte, dem Vorstand hybrides Arbeiten verbieten wollte und die DV in der Corona-Hochphase „gezwungen“ hat, in Präsenz zu tagen, weil eine digitale Informationsveranstaltung mit anschließender schriftlicher Abstimmung nicht gleichwertig sei mit einer Präsenzsitzung. Bis auf eine Vorständin sind alle weiteren Vorstandsmitglieder in einer öffentlichen Apotheke tätig. Inklusive des Präsidiums sind sechs der neun Vorstandsmitglieder Inhaber:innen.
Es hätte auch die Möglichkeit für einen breiter aufgestellten Vorstand mit breiterer Expertise und Kompetenz gegeben. So gab es für einige Positionen Gegenkandidat:innen, um den Delegierten damit auch vor Augen zu führen, dass es eine sinnvolle Auswahl gegeben hätte, in der sich der Generationenwechsel, die breite Vertretung aller Kammermitglieder und die Einbindung der Expertise von Nicht-Offizin-Apotheker:innen in einem dem Wahlergebnis entsprechenden Umfang ebenfalls wiedergefunden hätten. Alles Forderungen, die auch Ina Lucas immer wieder als Narrativ nach vorne trägt. Bisher allerdings, ohne diesen Parolen auch Taten folgen zu lassen.
Gerade für die Position des Vizepräsidenten gab es mit Dr. Karl Sydow (WIV) und Manuela Spann (AAA) zwei Personen, mit denen sowohl wertvolle Erfahrungen als auch eine breitere Aufstellung der obersten Vertretung ins Präsidium getragen worden wären und Dr. Wagner und ich wären als angebliche „Altlasten“ der letzten Legislatur bereit gewesen, jüngeren Kolleg.innen den Vortritt zu lassen, wenn es dem allgemeinen Zusammenhalt gedient hätte. Dr. Sydow verfügt sowohl über Gremienerfahrung innerhalb der Apothekerkammer als auch innerhalb der politischen Interessenvertretung in Verbänden (beim BAH) und über eine breite Expertise gerade auch im Bereich eHealth, die er hervorragend in die Vorstandsarbeit hätte einbringen können. Manuela Spann als weitere Alternative hätte mit ihrer Erfahrung aus der letzten Legislatur ebenfalls die Präsidiumsarbeit unterstützen können. Die Absprachen im Vorfeld haben jedoch ein breiter aufgestelltes Präsidium verhindert, denn Herr Stolle wurde mit deutlicher Mehrheit zum Vizepräsidenten gewählt …
Der Delegiertenversammlung wurde auch beim Kandidaten der Liste 2 (Robert Schmidt) mit unserer Kollegin Sandra Bouvain eine Gegenkandidatin präsentiert, die frischen und auch frecheren Wind in den Vorstand gebracht hätte. Auch da haben die Absprachen im Vorfeld verhindert, dass sie eine Mehrheit erreichen konnte, obwohl es angeblich zu Ina Lucas Zielen gehört, einen Generationenwechsel einzuleiten und Frauen zu fördern.
Eine weitere Kandidatenauswahl gab es bei der Vertretung der Nichtoffizin-Apotheker:innen. Während die Liste 3 ihre Wunschkandidatin Martina Fischer als Alibi-Nicht-Offizin-Vertreterin ins Rennen schickte, stellten die WIV-Apotheker Maximilian Buch auf, der zusätzlich auch jede Menge Gremienerfahrung und eine weitere Verbindung zur Vorstandsarbeit der letzten Legislatur eingebracht hätte. Aber auch er bekam aufgrund der Absprachen im Vorfeld keine Mehrheit.
So ist ein Vorstand entstanden, der zwar sehr homogen und wohl menschlich angenehm zusammenarbeiten kann, der sich jedoch inhaltlich jede Menge Chancen genommen hat, obwohl die fairen Alternativen dagewesen sind. Meine Meinung: Wenn Ina Lucas und die Mehrheit der Delegierten wirklich den Mut und das Interesse gehabt hätten, auch in der eigenen Liste einen Neuanfang zu wagen und über den Tellerrand hinausblicken zu wollen, statt nur die Macht für die „Vereinslisten 2 und 3“ abzusichern, hätte ein guter, breit aufgestellter Vorstand gewählt werden können, in dem unterschiedliche Expertise für moderne Themen vorhanden gewesen wäre. So bleibt der „neue“ Vorstand hinter den wohlklingenden Worten und allen vorhandenen Möglichkeiten zurück und muss sich nun erst recht durch überzeugende Taten beweisen.